Seidenraupenzucht im Hoffnung-West e.V. 1926
In der Chronik des Kleingartenvereines Hoffnung West e.V. 1926 ist erwähnt, dass 1939 eine Seidenraupenzucht für die Kriegswirtschaft angelegt wurde.
Seiden-Kokons für Fallschirme wären in der Anlage B des Vereines produziert worden.
Kaum zu glauben, Seidenproduktion in diesen Breitengraden und dann in solchen Massen, dass Fallschirme daraus entstanden sein sollen? Was für eine verrückte Idee, dachte ich mir. Das kann doch gar nicht funktioniert haben....
Die weitere Recherche ergab aber schnell, dass Seide seit Anfang des 19. Jahrhunderts in Europa und in Deutschland produziert wurde. Aufgrund verschiedener Produktionsbedingungen wie Auflagen und einer Seidenraupenkrankheit war bis Ende des 19. Jahrhunderts aber nicht mehr viel übrig von den Bestrebungen, Seide zu produzieren. Auch die großen Maulbeerbestände, das Futter der Seidenraupen, waren bis auf einen kleinen Bruchteil wieder von den öffentlichen Plätzen und Schlossgärten verschwunden.
Für die Autarkie-Bestrebungen und Kriegspläne der Nationalsozialisten wurde die Seidenraupenzucht wieder aufgenommen. Zentral organisiert von der Reichsfachgruppe für Seidenbau in Zusammenarbeit mit dem Luftfahrtministerium wurde ein Programm entwickelt, in dem Interessierte, insbesondere Kleinsiedler und Kleingärtner, in einem mehrtägigen Seminar die nötigen Kenntnisse für die Seidenraupenzucht erlangen konnten, um sich einen Nebenverdienst zu ermöglichen.
Für die Zucht brauchte es eine große Anzahl von Maulbeerbüschen. Im Kleingartenverein Hoffnung West e.V. wurden 5000 Maulbeerpflanzen vermutlich im Frühjahr 1939 als Hecken gepflanzt.
Auf meiner Suche nach Restbeständen dieser Büsche fragte ich ein Gartenmitglied in der Anlage, wo dort die Maulbeerbüsche stehen würden. Die Antwort kam unvermittelt und klar: „Na, hier überall!“ Diese zu breit geratenen Hecken, die in diesem Teil der Anlage vor den Gärten stehen, waren mir natürlich schon mal aufgefallen, aber ich wäre nicht darauf gekommen, dass ein Großteil der Maulbeerpflanzen noch vorhanden ist. In einem Gespräch mit einem anderen Gartenmitglied wurde ich auf einen Schuppen aufmerksam gemacht, der in der Anlage B auf einem Rasenstück hinter drei Bäumen steht. Das sei der Seidenraupenzuchtschuppen gewesen.
Die Suche nach genaueren Informationen brachte mich ins Büro des Vereins, in dem dann tatsächlich ein Ordner mit dem Namen „Seidenraupenzuchtschuppen“ zu finden war.
Dieser Ordner dokumentiert von den Bauplänen des Schuppens bis zu den genauen Angaben über die Anzahl der Kilogramm Frischkokons, die produziert wurden, genauestens die Seidenraupenzucht des Gartenvereines Hoffnung West in den Jahren 1942 und 1943.
Das „wehrwirtschaftliche Interesse“ dieser Zucht wird in den Dokumenten hervorgehoben und legt Zeugnis darüber ab, wie die Rüstungswirtschaft der Nationalsozialisten in die kleinsten Lebensbereiche Einzug erhielt. Die Seidenraupenzucht in Kleingärten zeigt uns wie Kleingartenvereine neben der Blut und Boden Ideologie in das nationalsozialistische Leben eingegliedert wurden.
Fünf Kleingartenvereine in Leipzig haben in dieser Zeit Seidenraupenzucht betrieben und die Spinnhütte Celle mit Kokons beliefert. Der Kleingartenverein Mariental war einer von ihnen. Von den weiteren an der Seidenraupenzucht beteiligten Kleingartenvereinen fehlt jegliche Information.
Wissen sie von Maulbeerbeständen in ihrem Kleingartenverein? Haben sie als Kinder Seidenraupen gefüttert?
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir bei der weiteren Suche helfen würden!
Bitte melden sie sich unter endlosfaden@yahoo.de!
Deborah Jeromin |